Projekt in und um Hannover: Naturwerkstatt

Projekte in und um Hannover

Hier wird zunächst ein Projekt vorgestellt, das es schon rund sieben Jahre gibt. Wieso passt es zur „Neuen Arbeit“? Frau Gardemin hat es in Eigeninitiative eingerichtet, und das, was sie dort vermittelt, ist zutiefst mit ihr verbunden. Sie will genau das!

Sieglinde Gardemin: Die Naturwerkstatt

Im Jahr 2000, anlässlich der EXPO, habe ich im Gartengelände der freien Waldorfschule Maschsee ein Häuschen errichtet, welches ein Ort der besonderen Begegnung geworden ist.

Geöffnet ist jeweils Dienstag – Mittwoch – Donnerstag (DiMiDo) 15 bis 18 Uhr während des Schuljahres.

Der Raum hat kein Vorzimmer, man kann gleich mit der Tür ins Haus fallen. Alte Eichenbalken, Lehmfachwerk, alle Krummheit und Macken unverkleidet. Hier bin ich, warum sollst du nicht auch so sein? Eine Mitte gibt es. Das ist das Lampenlicht, vielfältig und variabel geschmückt, über dem großen Kreis des hölzernen Tisches für zwölf Menschen Einladung, sich aufeinander einzulassen, aber jeder an seiner spezifischen Stelle. Noch ein Zentrum gibt es zu entdecken, das warme Herzstück, das sich in der Ecke bereithält: der Ofen. Und drittens, wenn Sie so wollen, das Kapital Anwesenheit in Form meiner Person.

Erst einmal steht Anderes im Vordergrund. Ziemlich viel. Nie gesehener Same vor Spiegel. ? Zwiebelschalen im Gegenlicht. ? Eine Glocke vor der Stirn - ? Federn kitzeln im Nacken. ? Das Sandbrett verlangt nach meinen Fingern oder diese nach Berührung. Daseinsbestätigung. Unverfängliches Tun. Kindliche Freude. Niemand muss hier was wollen, darf aber –

Geheimnisvolle Dosen locken Entdeckerfreude heraus. Man darf aufmachen und in ein unbekanntes Land vorstoßen. Sich vertiefen, sich verbinden, sich etwas anverwandeln und zu eigen machen. So muss es nicht Objekt bleiben und bekommt etwas mit Ihnen zu tun.

Der andere Weg, sich auf sich selber einzulassen, geht über die äußeren Notwendigkeiten. Es könnte zum Beispiel sein, dass gerade der Ofen warm werden soll, weil jemand Bratäpfel machen will. Wer hat Lust, Holz reinzuholen? Wer macht den Ofen an? Einer entdeckt an sich eine Wespe. Ist sie nun tot? Wieder Fragen, Beobachtungen. Vielleicht sind die Bratäpfel-Gelüste verlorengegangen. Irgendwer macht trotzdem das Feuer an, hat vielleicht sogar extra Holz sägen müssen und sich voll mit Erfahrungen gepumpt (Holzcharakter, Duft, Sägetechnik, Querschnitte, Färbungen. Wie viel ist für 3 Stunden nötig?). Einer bleibt beim Feuer, erwärmt Herz und Glieder, röstet vielleicht „nur noch“ Kürbiskerne und hat das Anfeuern gelernt. Welches? Wer hat denn nun eigentlich was genau gewollt? Was hatte denjenigen eigentlich hierher geführt? Viele sagen, es sähe hier so lebendig aus, immer Spuren von Tätigkeiten, immer Verwandlung, immer Arbeit übrig. Verlangt nach Mittun, nach Korrektur und Eingreifen. Oder retten, erneuern, fortführen. Der kleine Funken kindlicher Freude am Tun mit Natürlichem, am sinnvollen Einbringen des eigenen Einflusses findet die schon in jedem angelegte Zündschnur und entfacht das eigene Feuer beizeiten.

Jeder, der systematisch kennenlernen will, was in der Naturwerkstatt alles möglich ist, kann Naturwerkstatt-„Lehrling“ sein und – falls er über 10 Jahre alt ist – auch „Geselle“ werden und mitverantwortlich sein. Jeder Mensch ein Künstler! Deshalb beflügelt besonders das Miteinander von Kindern und Erwachsenen.

Dass dies auch ein Ort des Nachdenkens über die zwölf menschlichen Sinne ist, ein Unterschlupf für Leerzeiten der Kinder, eine Tauschbörse für Ideen und Pflanzen, eine Annahmestelle für Unbrauchbares, was in den Kreislauf zurückgeführt werden kann, oder ein Ort des Geschenkt-bekommens, auch ein Laden für meine Fotokarten – das alles sei nur nebenbei erwähnt.

Geboren ist alles aus dem Anliegen des Pädagogen, Biologen, Religionslehrers und Naturfreundes in mir, Kinder und Erwachsene aus der Entfremdung von Natur wieder für deren Vielfalt und Schönheit und Rätsel zu begeistern, um sich dadurch selber zu begegnen.

(c) Den Text hat Sieglinde Gardemin verfasst - er ist zuerst in der einfachen Printausgabe "Infoblatt Neue Arbeit" (0/2008) auf S. 6-7 erschienen.

Das Bild ist der Internetseite der Naturwerkstatt:  http://www.waldorf-net.de/naturwerkstatt entnommen (die allerdings offenbar nicht mehr gepflegt wird, wie man an der DM-Angabe unschwer erkennen kann).