Immer
wieder ist es der Mut, der Widerstand des einzelnen Menschen, der
besondere Wirkkraft gegen die globalen Großen entfaltet – ob in
diesem Fall allerdings auf Dauer, mag man bezweifeln. „Monsanto“
ist die große Saatzuchtfirma, die heute ganz stark monopolisiert –
oft mit gen-verändertem Saatgut – und damit Vielfalt
verm(h)indert.
2007 hat Schmeiser den Alternativen Nobelpreis bekommen!
Percy
Schmeiser, Bauer und Saatgutzüchter aus Kanada wurde weltweit zum
Symbol für den Widerstand gegen die brutalen Methoden des
internationalen Saatgutmultis Monsanto, die Bauern einzuschüchtern
oder sich gefügig zu machen.
Was war geschehen?
Die
Nachbarn von Schmeiser bauten gentechnisch veränderten Raps an. Bei
der Ernte im Herbst wehte der Wind Saatkörner über die
Grundstücksgrenzen. Von den Erntefahrzeugen und Transportfahrzeugen
fiel Erntegut herab und landete im Straßengraben und an den
Feldrändern. Im Jahr darauf keimte dieses gentechnisch veränderte
Saatgut auf Schmeisers Feldern, seine Ernte war zu einem geringen
Prozentsatz mit diesen Genpflanzen kontaminiert.
Monsanto tat,
was es auf der ganzen Welt tausendfach praktiziert: es zieht Proben
von den Bauern, die kein Saatgut bei ihnen kaufen, weist die
Kontamination nach, unterstellt den freien Bauern, sie würden
illegal Monsanto-Saatgut anbauen und damit die Patentrechte von
Monsanto verletzen. Dann wird dem Bauer ein Vergleich angeboten:
Monsanto wolle auf Schadenersatzzahlungen verzichten, wenn der Bauer
in Zukunft das gentechnisch veränderte Saatgut kaufe und für alle
Zukunft darauf verzichte, jemals Schadenersatzansprüche an Monsanto
zu stellen oder über diesen Deal öffentlich zu reden. Akzeptiere
der Bauer nicht, müsse er sich vor Gericht für diese
Patentverletzung verantworten.
Wie geht es einem Bauern, dem
solch eine Drohung ins Haus flattert? Er ist allein auf seinem Hof,
muß sich und seine Familie ernähren, hat vielleicht Angst, mit
seinen Nachbarn darüber zu reden. Der Bauer gibt nach und denkt: so
schlimm wird's schon nicht sein.
Nicht so Percy Schmeiser. Er
wollte weder das untaugliche gentechnisch veränderte Saatgut, noch
sah er ein, weshalb er Monsanto gegenüber Schadenersatzpflichtig
sein solle. Immerhin habe doch Monsanto-Saatgut seine Ernte
kontaminiert und seine jahrzehntelange Zuchtarbeit - also geistiges
Eigentum - zerstört. Monsanto sei ihm gegenüber
Schadenersatzpflichtig.
Und so begann der lange Weg durch alle
Instanzen bis zum Obersten Kanadischen Gerichtshof. In Kanada gab es
zum damaligen Zeitpunkt noch keine Richtlinien über das Verständnis
von Patentierungen lebender Organismen. Das Unglaubliche geschah:
Monsanto erhielt Recht. Schmeiser habe die Patentansprüche Monsantos
verletzt. Vom Verletzen der Zuchtarbeit Schmeisers durch Monsanto war
keine Rede. Allein da Schmeiser keinerlei Vorteile von dem
gentechnisch veränderten Erntegut ziehen konnte, entschied das
Gericht, dass er keinen Schadenersatz an Monsanto zahlen müsse.
"Lediglich" die Gerichtskosten (immerhin etwa 250.000 Euro)
müsse er selbst tragen.
Nun erwachte die Welt. Warum schlief
sie so lange? Die Bauern, die ein solch langwieriges, kostspieliges
und nervenaufreibendes Verfahren nicht durchstehen konnten, mögen
ihre Lederjacke verflucht haben, die sie als Werbegeschenk von
Monsanto beim Unterzeichnen
des - aus unserem Rechtsverständnis - sittenwidrigen Knebelvertrages
angenommen haben. Zu erkennen, dass man sich und das Recht auf die
Redefreiheit für eine Lederjacke, ein Abendessen und Freibier
verkauft hat ist für jeden Bauer, für jeden Mann eine Demütigung.
Also wird geschwiegen. Weltweit.
Stehen die Konzerninteressen
über dem jahrtausendealten Recht der Bauern auf Zucht und Nachbau
ihrer standortangepassten Sorten? Darf es kapitalorientierten
Gesellschaften gestattet werden, die Ernährungssouveränität ganzer
Länder zu unterhöhlen? Darf Leben überhaupt patentiert werden?
Die Antwort lautet: nein! Und die Strategen von Monsanto wissen
dies. Sie scheuen daher weder Kosten noch Kreativität, ihre
nutzlosen Genkonstrukte als Heilsbringer gegen den Hunger auf der
Welt in den Himmel zu loben. Und sie finden Gehör. Vor allem bei
Nichtfachleuten: bei Wissenschaftlern und Politikern.
Die
Fachleute, die Bauern und Imker aber wissen: ein Nebeneinander von
Agrogentechnik und traditioneller Landwirtschaft ist nicht möglich.
Kommerzieller Anbau und Versuchsanbau sind staatlich subventionierte
oder zumindest geduldete Kontamination. Das zeigen die vergangenen
zehn Jahre Erfahrung in Kanada. In Kanada gibt es praktisch keinen
gentechnikfreien Raps mehr.
Monsanto will vollendete Tatsachen
schaffen, ehe es nicht mehr möglich ist. Ehe die Menschen und
Politiker in Deutschland, Europa und anderen Ländern dieser Erde
erkennen, dass es kein Zurück mehr geben wird, wenn gentechnisch
verändertes Erbgut erst einmal ausgebracht ist und sich
unkontrolliert verbreitet.
"Wir Kanadier wussten vor zehn
Jahren nicht, was mit der Gentechnik auf uns zukommt. Heute wissen
wir: es war ein Fehler, dieses Zeug ins Land zu lassen. Ihr Europäer
habt noch die Wahlfreiheit. Macht die Augen auf und zieht aus der
Wirklichkeit, die sich in anderen Ländern bereits ereignet, eure
Konsequenzen. Und dann handelt" (Percy Schmeiser).
So edel klingt das bei Monsanto:
In der Pflanzenzüchtung nutzt Monsanto konsequent und mit großem Erfolg biotechnologische Methoden, um zu nachhaltigen Lösungen für den weltweit wachsenden Bedarf in den Bereichen Landwirtschaft und Ernährung beizutragen. Entsprechendes Sortenmaterial, dem in einem ersten Schritt neue Eigenschaften wie Herbizidtoleranz und/oder Insektenschutz verliehen wurden, trägt zu erheblicher Produktivitätssteigerung bei gleichzeitig nachhaltiger Entlastung der Umwelt bei. Weitere Produkte stehen zur Zulassung an und eröffnen neue Möglichkeiten für die Landwirtschaft.
Und dies ist der aktuelle Stand:
Eine Stunde vor der auf 19. März 2008 terminierten Gerichtsverhandlung hat nun Monsanto sämtliche Forderungen Percy Schmeisers akzeptiert und ihre
Verantwortung für die Kontamination auf Schmeisers Feldern eingeräumt. Monsanto bezahlt nicht nur den Schaden, sondern akzeptiert auch, dass Schmeiser über die genauen Hintergründe öffentlich berichtet und Stellung bezieht. Das Eingeständnis Monsantos, als Eigentümerin des Patentes auf Transgene auch für die Kontamination benachbarter Felder verantwortlich zu sein, öffnet den betroffenen Bauern auf der ganzen Welt nun den Weg für Schadenersatzforderungen an Monsanto.
Den
Haupttext und die aktuelle Meldung habe ich der folgenden Seite
entnommen:
http://www.percyschmeiser.com
– mit freundlicher
Genehmigung von Peter Binder, der im Anschluss an Schmeisers
Europareise den Verein Gentechnikfreies Europa begründet hat; s.
http://www.gentechnikfreies-europa.org/
; die Seite empfehle
ich nachdrücklich zur Beachtung!
© Text Helge Mücke, mit Zitaten wie angegeben. Das Bild ist der Seite http://tour.percy-schmeiser-on-tour.org/ entnommen.
Dieser Text wurde zuerst in der einfachen Printausgabe "Zeitung Neue Arbeit" Nr. 3 / Okt. 2008 in der Rubrik "Denkanstöße, Entwürfe, Ideen" veröffentlicht (S. 7 - 10)
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